Brainstorming zum Fachkräfte Mangel im Krankenhaus und der Pflege – Ich säe einen Baum. Du auch?

Der Fachkräftemangel in der Pflege aber auch dem Krankenhaus per se geht mehr und mehr durch aller Munde. Doch was tun?
Laut so manchem Arbeitgeber gäbe es keine Bewerber oder freien Kräfte auf dem Markt?

Kopfpauschalen sind als Lockmittel ggf. auch ungeeignet und keine langfristige Lösung, den wer für Geld kommt geht auch für Geld.

Was bleibt?
Die ach so hoch gelobte attraktivere Gestaltung des Arbeitsplatzes bzw. der Rahmenbedingungen.

Arzt- und Pflege-Fachkraefte aussäen Foto-Collage-Coypright:privat / rdpfleger.de

Arzt- und Pflege-Fachkraefte aussäen Foto-Collage-Coypright:privat / rdpfleger.de

Die Charité fängt nach langem Kampf des Personals nun damit an. Mehr Fachpersonal. Ein erster Schritt. Dies soll den Einzelnen etwas entlasten, den Stress mindern. Weniger Zeitdruck, mehr Zeit für Patienten, bessere / steigende Versorgungsqualität, weniger Komplikationen oder ggf. früher erkannt. All dient langfristig also dem Patienten und dem Gesundheitssystem.

Aber es gibt doch angeblich kein Personal?
Hier muss sich so mancher Ausbildungsbetrieb (=Arbeitgeber) ggf. auch selbst an die Nase fassen. Warum? Folgende Erfahrungen habe ich gemacht und mache ich noch immer.

  • Es werden Krankenpflegeschulen zusammengelegt und dabei wird die Gesamtanzahl der Ausbildungsplätze verringert.
    • Bilde ich zu wenig aus, habe ich später auch weniger die ich übernehmen oder einstellen kann.
  • Es werden Bewerber abgelehnt. Vor circa 8 Jahren habe ich zusammen mit anderen Schülern ein Gespräch mit dem damaligen Leiter meiner Krankenpflegeschule geführt. Dabei erfuhr ich das es auf ca. 30 Ausbildungsplätze über 300 Bewerbung gibt. Und das jedes Jahr.
    • Es gäbe also genug Menschen die diese Ausbildung gerne antreten würden und sicher könnte man mehr als 30 auf Ausbildungsplätze übernehmen ohne das man „jede/n“ nehmen muss.
    • Erhöht also die Ausbildungsplätze (die nach einer mdl. Information von den Kassen größtenteils gegenfinanziert werden. Wer Zahlen / Quellen dazu hat darf sie (mir oder in den Kommentaren) gerne mitteilen) und analog dazu natürlich auch die Ausbilderplätze (ein Pädagogikstudium u.ä. im Gesundheitswesen ist doch heute der letzte Schrei, da finden sich sicher auch studierte Ausbilder). Dazu muss der Ausbildungsbetrieb (=Arbeitgeber aber den ersten Schritt gehen und sagen, ja ich will mehr Auszubildende und mehr Ausbilder. Diese Stellen müssen geschaffen werden und besetzt werden.
  • Es werden Auszubildende während der Ausbildung ausgesiebt.
    • Es gibt Schulen, da werden bspw. 26 Auszubildende in ein Ausbildungsverhältnis übernommen. Zu Kursbeginn eines jeden Jahres weiß der Schulleiter aber er hat eigentlich nur 26 Plätze und muss rein nach Platzzahl (es gibt eigentlich nur 24 Plätze) mindestens zwei Schüler innerhalb der sechsmonatigen Probezeit wieder vor die Tür setzen.
    • Trägt so etwas zur Attraktivität oder zum Fachkräftesteigerung bei?
    • Rentieren sich die Kosten die die zwei „Überschussazubis“ in den 6 Monaten gekostet haben wirklich? Ich kann es mir nicht vorstellen.
    • Was bewirkt dies auf dem Ausbildungsmarkt wenn man sieht das rein aus Platzmangel zwangsausgestellt wird innerhalb der Probezeit?
  • Es wird bei der Bewerbung auf die Ausbildungsplätze ggf. falsch ausgewählt.
    Mir wurde von einem Kurs mit ca. 24 Auszubildenden berichtet und davon wollen ganze 6 in der „klassischen“ Pflege bleiben. Der Rest will studieren oder etwas anderes machen.

    • Woran liegt das?
    • Hat man zuviele Bewerber genommen wo von vornherein klar hätte sein können, für die ist die Ausbildung nur eine Zwischenstation (was ja in Maßen legitim ist) oder gar nur ein Sprungbrett.
    • Haben die Schüler ggf. während der Ausbildung erlebt wie hart der Job ist und suchen sich dann lieber etwas anderes?
    • Wieviele von den „in der Pflege“ gebliebenen, bleiben auch dauerhaft und wechseln nicht nach ein paar Jahren in pflegefremde Bereiche oder suchen andere „Auswege“ aus dem eigentlich anspruchsvollen, verantwortungsvollen, interessanten und breitgefächerten Beruf Pflege.
  • Wie kann aus bestehendem Personal mehr Personal werden?
    • Klonen? Nein. Aber mit flexibleren Teilzeitmodellen. Abgestufteren Modellen. Nicht nur 25%, 50%, 75% oder 100% dürfen von Arbeitgeberseite möglich sein. Man braucht ggf. auch 10% oder 5% Prozentschritte. So sind z.B. Mütter (aber auch Väter) bereit in der Pflege zu bleiben aber trotzdem ihren familiären Verpflichtungen eher nachzukommen, wenn die Teilzeit sich eher ihren Bedürfnissen anpassen kann.
    • Auch kann so (bei Mangel) leichter um 10% als um 25% aufgestockt werden. Das freut den Arbeitnehmer der aufstocken will und den Arbeitgeber (es gibt ja angeblich keine Bewerber von extern oder auf dem Markt), das er hiermit Lücken ganz oder teilweise schließen kann.
    • Die Arbeitnehmer in Teilzeit (sofern finanziell möglich) berichten durch die Bank das sie entspannter zum Dienst kommen und dieser wesentlich stressfreier empfunden(!) wird, auch wenn die Arbeitsbelastung zunimmt. => bessere Arbeitsleistung.
      Eine Win-Win-Situation für AN und AG. Trotzdem müssen die ursächlichen Arbeitsrahmenbedingungen weiter verbessert werden, keine Frage.
    • Auch auf ärztlicher Seite ist der Zeit- und Arbeitsdruck hoch. Überstunden (ob gezahlt oder nicht gezahlt / gestrichen lasse ich hier mal aussen vor) sind an der Tagesordnung und teils oft nötig anzusammeln, damit man nach 7 Nachtdiensten „genug“ frei zum wiederumstellen hat. Viele „Dienste“ am Wochenende, Feiertags oder Nachts sind die Regel.
    • Von Ärzten habe ich gehört, es gibt Häuser die bei gleichem Grundverdienst so viele Ärzte haben, das jeder nur einen (1) Dienst im Monat absolvieren muss und Überstunden (chronisch jeden Tag z.B. 1-2h, gibt es dort nicht). Hier arbeitet es sich natürlich wesentlich entspannter. Wozu ein angenehmes stressärmeres Arbeitsumfeld führt, das habe ich ja oben schon beschrieben. Und das sollte mit demselben Endziel das Ziel von Arbeitgeber und Arbeitnehmer sein. So hoffe ich doch zumindest 😉

Ein erstes Fazit meinerseits kann nur lauten:
Alle Beteiligten (Schulen, Schulleiter, Arbeitgeber, Personalrat, Chefärzte und Stations/Pflegedienstleitungen) sind gefordert neue Rahmenbedingung zu schaffen. Sie konstant einzufordern, sie überhaupt jetzt anzufangen &diese (durchdacht) einzusetzen. Und (ähnlich wie beim Zinseszinseffekt auf den Sparbüchern früher) durchzuhalten. Nur so können diese Ideen und Maßnahmen auch ihre Wirkung entfalten.

Ich säe einen Baum, Du auch?
Wenn ich in 10 Jahren einen Baum will der später jahrzehntelang Schatten spendet, muss ich jetzt Samen säen und mich konstant kümmern und regelmäßig gießen. Sonst wächst der Baum nicht.
Fange ich erst in 9 Jahren mit dem aussäen an, werde ich auch im 10. Jahr keinen Schatten haben.

Der Samen hätte schon lange ausgesät werden müssen. Unabhängig davon brauchen wir zusätzlich zu dem was jetzt schon an Bäumen bzw. Personal fehlt zukünftig noch mehr. Also noch mehr Samen die jetzt mit bedacht und mit langfristiger Absicht ausgesät und gepflegt werden müssen.
Fangen wir’s an. Jeder in seinem Wirkungskreis. Immer wieder. Entwickelt Ideen und hört zu was sich Auszubildende oder auch examinierte Fachkräfte wünschen, sie sehen die Sache ggf. anders als ihr und bringen neue Ideen oder Sichtweisen ein auf die man selbst nicht kommt. Bedenkt gerade beim Brainstorming ist keine Idee oder Ansicht „dumm“. Unter Umständen lässt sich daraus ein prächtige, wirkungsvolle Maßnahme ableiten. Sprecht über diese Ideen die ihr aufschnappt oder entwickelt.

Und damit das ganze Ziel auch im Gedächtnis verankert bleibt, stellt vielleicht einen Päckchen Pflanzensamen auf den Tisch des nächsten Meetings innerhalb der Klinik aber auch mit verantwortlichen aus der Politik. Verankert den langfristigen Nutzen von mehr Personal in den Köpfen in den Köpfen von allen – Entscheidungsträgern wie auch jedem einzelnen Wähler.
Ein paar Postkarten tun zusätzlich auch gut. Diese können auch Normalbürger (ohne direkten „krankenhausbezug“) an die politischen Entscheidungsträger senden.

Short-Url zu diesem Beitrag: http://s.rdpfleger.de/pflegebaum

3 Gedanken zu „Brainstorming zum Fachkräfte Mangel im Krankenhaus und der Pflege – Ich säe einen Baum. Du auch?

  1. DeinKoks

    Refinanzierung:
    Afaik werden die Ausbildungskosten nicht zu 100% refinanziert (hab keine exakten Zahlen), da die Auszubildenen ja auch arbeiten und anteilmäßig in den Stellenschlüssel der Dienstpläne einfließen.
    Einer der Gründe warum sie oft als billige Arbeitskraft missbraucht werden weil sie für den Träger immer noch viel viel billiger als eine normal finanzierte Pflegekraft, bestenfalls übetroffen durch FSJ/BuFdi.

    Verlust der Fachkräfte:
    Hier sollte man vielleicht auch die Gründe betrachten warum viele Fachkräfte den Beruf verlassen und sich (großteils) innerhalb des Gesundheitswesens neu orientieren.
    – Die pflegerische Arbeit am Patienten ist überaus anstrengend und steht in keinem Verhältnis zur Vergütung. Vollzeitkräfte die bis zum Renteneintritt arbeiten sind eine absolute Rarität.
    – Es gibt in Deutschland (und scheinbar dem ganzen deutschsprachigen Raum) kaum Möglichkeiten sich Signifkant weiterzuentwickeln und neue Kompetenzen zu erlangen. Das ist ein Problem für eine Berufsausbildung die überwiegend von Abiturienten ergriffen wird. Eine Fachweiterbildung geht in der Regel weder von den Tätigkeiten noch der Vergütung mit spürbaren Veränderungen einher.
    Alle anderen Formen der „Karriere“ führen einen mehr oder weniger weit weg vom Patienten (Stationsleitung/Pflegedienstleitung/Pflegepädagogik/Pflegewissenschaften).
    Möchte man sich trotzdem beruflich weiterentwickeln und am Patienten tätig sein bleibt fast nur noch das Medizinstudium.
    Die Situation wird natürlich noch weiter angeheizt durch die absurd überlaufenen Medizinstudiengänge mit Gegenwärtig 7Jahren Wartezeit. Diese Leute müssen die Zeit nunmal irgendwie überbrücken und eine Pflegeausbildung (oder Rettungsassistent etc.) drängt sich hierfür förmlich auf.
    Das es anders geht sehen wir in der Schweiz und z.B. bringt die dortige Anästhesiefortbildung die Kompetenz mit selbstständig Narkosen durchzuführen.
    http://www.tagesanzeiger.ch/zuerich/region/pflegeexpertin-ersetzt-hausarzt/story/26714275

    Verlust an Schulplätzen:
    Kann ich so nicht (mehr) bestätigen. Fast alle Krankenpflegeschulen in der Region haben deutliche Probleme ihre Kurse mit qualifizierten Bewerbern zu füllen und reduzieren notgedrungen ihre Kursanzahl/Größe.
    Die Anzahl qualifizierter Bewerber wird auch in Zukunft weiter abnehmen solange die Arbeitsbedingungen/Einkommen so schlecht sind wie jetzt oder sogar noch schlechter werden.
    Und daran ändert auch eine Reform der Ausbildung nichts. Völlig unabhängig ob diese gut wird oder ein desaströser Kompromis.

    Eine Teilschuld darf man wie ich finde hier durchaus den Trägern der Ausbildung geben, dass zu wenig ausgebildet wurde und wird, aber mit der grandiosen Ökonomisierung des deutschen Gesundheitswesen in dem jede zweite Klinik akut ums kurzfristige überleben kämpft kann man ihnen kaum Vorwürfe machen.

    An der Stelle nochmal der Verweis auf mein Brainstorming
    http://www.pflegenot2014.de/my-little-pflegereform/

    1. RDPfleger Beitragsautor

      Hallo DeinKoks,
      Herzlichen Dank für deine Erfahrungen und vorallem für deine Weiterführung und Ergänzung meiner Ansätze. Genauso habe ich mir das vorgestellt.
      Schönen Sonntag,
      RDPfleger

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